Die 90er-Jahre
Schallquellen vorsieht. Dolby Surround ist zunächst für
den Massenmarkt ausgelegt. Damit überwiegt das Spekta-
kuläre, das Natürliche geht verloren und damit auch die
Ernsthaftigkeit des Hörens. Nach meiner Überzeugung wird
et eine Zweiteilung geben: Home Theatre als abgeschlosse-
ner .Star Wars-Bereich“, in dem die Post abgeht. Und High
End als der Bereich des Wohnens und Zusammenlebens, bei
dem von Mozart bis Heavy Metal der Musikgenuß im Vor-
dergrund steht. Home Theatre ist auf Effekte für Auge und
Ohr abgestimmt - und das verführt zur absoluten Passi-
vität. die eher verspannt als entspannt
Burmester: High End, Dolby Surround und THX sind für
Dich drei verschiedene Welten, die nicht zwingend zusam-
mengehören. Auf der einen Seite gilt es. so puristisch wie
möglich naturgetreuen Klang zu reproduzieren, wahrend
auf der anderen Seite ein Erlebnis .bigger than Life“ ge-
fragt ist, weil die Welt, so wie sie ist, für viele nicht mehr
spektakulär genug ist. Natürlich klingt Fernsehen mit einer
guten High End-Anlage besser als ohne.
HEO
Sind Sie damit zufrieden, wie der Handel High
End verkauft und kommuniziert?
Meletzky Der Handel muB in erster Linie auf die Wün-
Stand
der
Technik”
sehe des Kunden eingehen, muB ihn beraten und ihm das
«erkaufen, was ihn langfristig zufrieden stellt.
ST
FO Leistet der Fachhändler das?
Burmester: Viele Händler haben noch nicht erkannt.
daB die Käufer andere geworden sind. Wir sind schließlich
bei Cartier-Preisen angelangt, entsprechend muB der
Kunde auch behandelt werden. Früher waren die Kunden
ausschließlich Technikfreaks,
was auch Frauen interessieren könnte. Wir müssen die
Frauen begeistern und ihnen die Ängste nehmen, daß sie
technisch mit High End überfordert waren.
STEREO: Ist das nicht vor allem eine Frage des Images?
Burmester: Für eine Uhr werden 2S.OOO Mark inzwi-
schen problemlos akzeptiert, im High End dagegen nicht.
Unsere Branche repräsentiert in der Verarbeitungsqualität
den Stand der Technik,
aber diese Freaks von gestern
spielen heute mit dem Com-
puter. Jetzt haben wir end-
lich die Käuferschicht, die
wir immer wollten - nur das
Ambiente beim Handel ent-
spricht noch nicht immer
den Produkten.
Meletzky Der Fachhandel darf den Trend vom Billig-
H
iF
i
Produkt zur
High
End-Anlage nicht verschlafen.
Burmester: Wir brauchen High End-Läden, die Lustge-
winn versprechen. Man soll High End mit Freude kaufen,
schließlich belohnt man sich dafür, daß man hart gearbei-
tet und gespart hat.
S
V E O Noch ist HighEnd ausschließlich eine Männer-
Pornäne. spielen Frauen als Käuferinnerinnen in Ihren Mar-
tetmguberlegungen überhaupt eine Rolle?
Burmester: Auch das ist im Wandel. Heute kommen
mch Frauen interessiert mit auf Messen.
Meletzky Eine Tendenz ist sicherlich zu erkennen, aber
Hegst noch nicht so. wie es wünschenswert wäre. Das liegt
weh an den Zeitschriften: Ich kann da wenig entdecken.
„Wir sind bei Cartier-
Preisen angelangt,
entsprechend muß der
Kunde behandelt
werden“
(Dieter Burmester)
schafft es aber nicht, die-
sen Anspruch tu vermit-
teln. Wir offerieren ein
Medium, das mit jeder
neuen
CD
Emotionen
weckt, trotzdem gelingt
es uns nicht, dieses Kul-
turgut zu verkaufen.
Meletzky: Ich stelle immer wieder fest, daß in der Woh-
nung offensichtlich auf alles geachtet wird - nur für High
End fehlt das Bewußtsein. Da werden Lautsprecher hinter
Heizkörpern versteckt, Leerrohre für Kabel werden nicht
eingeplant. Es fängt im Grunde bei den Innenarchitekten
an. die unser Thema schlichtweg vergessen. Bei HiFi ist die
Zeit des Gelsenkirchner Barocks noch nicht überwunden,
immer noch werden Musikanlagen in Truhen und Schränken
versteckt. Man begreift erst langsam, daß eine High End-
Anlage ein Schmuckstück für jeden Wohnraum darstellt.
STEREO: Was ist typisch für High End aus Deutschland?
Meletzky: Deutsches High End ist unerreicht in seiner
Kombination aus Design, hervorragender Verarbeitungs-
qualität und einer Klangphilosophie, die es deutlich von
amerikanischen oder japanischen
Produkten abhebt.
Burmester Musikalitat und Klang
allein reichen nicht aus, wir wer-
den schließlich vor allem nach
Tests gekauft. Wir haben aber in der Verarbeitung eine Vor-
reiterfunktion übernommen. Wenn ich vergleiche, wie
amerikanisches HighEnd noch vor zehn Jahren ausgesehen
hat - das mußte damals nur klingen, durfte aber beliebig
aussehen. Daß sich das geändert hat, ist sicher wesentli-
ches Verdienst der deutschen Anbieter. Nebenbei bemerkt:
Für mich ist europäisches HiFi wesentlich kreativer als
amerikanisches.
STEREO: Kommen wir abschließend nochmals auf die
Zukunft zurück. Wohin geht die Entwicklung?
Burmester Der Purismus ist überholt, Bedienungskom-
fort und leichte Handhabung gewinnen an Bedeutung. Und
High End muß sich in den Wohnraum integrieren lassen.
Über Klang müssen wir nicht reden, der ist Voraussetzung.
Meletzky: Mit neuen Technologien werden wir immer
wieder für Überraschungen gut sein. Gleichzeitig bin ich
auch überzeugt, daß der Plattenspieler eine Renaissance
erleben wird, weil er einfach mehr Spaß macht und Flair
vermittelt. High End wird insgesamt noch vielseitiger und
den Menschen noch mehr die Möglichkeit geben, sich zu
differenzieren und individuell auszuleben. Wir werden kul-
tureller an das Thema herangehen. High End muß zum
guten Ton gehören.
Burmester: Immer wichtiger wird, daß wir nicht nur
Technik verkaufen, sondern Kultur.
Meletzky: Daß wir auch die Gefühle ansprechen und
Wünsche wecken.
SrtREO 1/95
30 JAHRE STEREO
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